Jüdisches Museum Frankfurt am Main, 11.05.2006 – 25.06.2006

 

 

 

Die Presse schreibt...

 

 

"[...] Musik ist, das sieht man hier, ein offenes System, wenn sie nicht nur schriftlich tradiert wird. Sie ist schnellen Wandlungen unterworfen, und die Kommandos dafür kommen aus Technik, Politik, aus sozialen Prozessen und Traditionen. Berufsmusiker sind häufig Menschen mit wachem Geist, die viel unterwegs sind und auf vielen Hochzeiten tanzen müssen, die ihr Handwerk verstehen, ein intaktes Traditionsbewusstsein haben, aber zugleich den Anforderungen der Spielsituationen gegenüber anpassungsfähig sind, man will ja leben von seiner Arbeit. Wenn man von solchen Leuten erwartet, dass sie ein kanonisches System festgeschriebener Traditionen hüten, wird man sich bald wundern, wie schnell sich dieses System ändert und wie sehr es zugleich konstante identitätsstiftende Merkmale behält. Die Ausstellung "Klezmer - hejmisch und hip" im Jüdischen Museum nimmt, reich ausgestattet mit Reflexions- und Hörmaterial, aber visuell eher unspektakulär, dieses Problem in seiner ganzen Tragweite auf und zeigt, wie stark eine durchaus von Problembewusstsein geleitete Musikwahrnehmung dennoch ideologisch geprägt und von Irrtümern durchsetzt sein kann.

Was also ist Klezmer? Einleitend nimmt die Ausstellung eine Reihe von Antworten auf und lässt sie sich gegenseitig korrigieren und ergänzen. Klezmer, das ist eine politische Aussage, eine Spielhaltung, eine Volksmusik, der Inbegriff jüdischer Kultur, ein Fach der Weltmusik-Abteilung im Plattenladen. Klezmer ist, so der Sprachgebrauch der Ausstellung, ein Musiker, der Klezmermusik spielt. Klezmermusik erklingt, so kann man lesen, heute in fast jeder Veranstaltung mit deutsch-jüdischen oder deutsch-israelischen Themen, manche Juden können das langsam nicht mehr hören. Klezmermusik ist in Deutschland so heimisch geworden, dass hier zu Lande an die 60 Musikgruppen professionell oder semiprofessionell damit beschäftigt sind. In der israelischen Öffentlichkeit spielt Klezmermusik keine Rolle.
 Die Ausstellung geht weit in die Geschichte zurück, denn die Geschichte dieser Musik ist eng mit der Geschichte der Ashkenasim und ihren Fluchtbewegungen aus Mitteleuropa nach Polen, in die Ukraine und nach Russland verbunden sowie mit der Ausbreitung einer autochthonen jüdischen Kultur im östlichen Europa.[...]

HANS-JÜRGEN LINKE, Frankfurter Rundschau, 13.05.2006
 

 

Klezmer - die Musik der Juden. Schon falsch. Denn es gibt keine jüdische Musik, vielmehr viele Richtungen und Stile. Klezmer - die Musik der Klarinette. Wieder falsch. Diese Musik läßt sich nicht auf Giora Feidman reduzieren. Nicht nur, daß Feidman, der hierzulande als Inbegriff des Klezmer gilt, auch Tango oder Jazz spielt. In der Klezmer-Musik wurden und werden die verschiedensten Instrumente eingesetzt: die Geige, von den Musikern Fiddel genannt, historisch betrachtet wohl die Prima, aber auch die Flöte, die Schalmei, die Oboe, das Fagott, der Dudelsack, die Trompete, das Hackbrett. Kein Instrument, das nicht Verwendung fände.[...]

Die vom Kulturreferat der Stadt Gelsenkirchen organisierte Wanderausstellung, die seit drei Jahren in Deutschland tourt, erklärt auf 37 illustrierten Tafeln ausführlich Geschichte und Gegenwart der Klezmer-Musik: Viele Informationen, viel zu lesen. Zum Glück gibt es die erwähnte Disc, die der Besucher während seines Rundgangs abhören kann. Hinweiszahlen auf den Tafeln sagen ihm, welchen Titel er wählen soll. Die Schau stellt also keineswegs nur eine theoretische Veranstaltung dar. Außerdem gibt es in Frankfurt begleitende Vorträge und eine Konzertreihe.

Hans Riebsamen, Musik der Freude und der Trauer, F.A.Z., 17.05.2006
 

 


 

 

 

Copyright der Fotos: Wiltrud Apfeld.

 

 

 

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